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Trio ARS ET LABOR

Reviews

Eine Stunde ein Wimpernschlag –

Schubert in Vollendung

Das Trio Ars et Labor im Münchner Freien Musikzentrum

Das Trio Ars et Labor aus Perugia, das aus höchstkarätigen, traumwandlerisch aufeinander eingespielten Musikern besteht [...]

Dort war nun am Samstag, den 8. Oktober das letzte Klaviertrio von Franz Schubert in einer Vollendung zu hören, wie dies alle Anwesenden in ihrem Leben noch nicht erlebt hatten [...]  Ja, die Zeit stand still für mehr als eine Stunde, und wer dabei war, konnte sich glücklich schätzen, einen Schubert gehört zu haben, wie er zumindest seit Celibidaches Wirken mit dieser Kraft der Verinnerlichung als erlebter Gesamtzusammenhang in München nicht zu hören war – also für mehr als zwei Jahrzehnte.

Man muss erlebt haben, wie die Geigerin Sara Gianfriddo und die Cellistin Héloïse Piolat wie zu einem Wesen verschmolzen in der Tongebung, Phrasierung und subtilsten Elastizität des Tempos, und wie Christa Bützberger das Ganze trug, jede Schattierung hörbar machend, ohne dass auch nur ein Moment Selbstzweck würde. Alles dient der Formentwicklung als Ganzes. Die ergreifende Innigkeit hat überhaupt nichts zu tun mit schmachtender Sentimentalität, und ebenso nichts mit abstrakter Nüchternheit. Die Hörer wurden mit dem Dreiklangsmotiv des Beginns in Empfang genommen und mit der Coda des Finalsatzes entlassen. Was dazwischen war, entzieht sich in der Essenz jeder Beschreibung. Als hätte man ein ganzes Leben, in vier Stationen gegliedert, in einer guten Stunde durchschritten, durchlitten, durchlebt. Die frappierende Makellosigkeit der Aufführung zu bestaunen ergab sich sozusagen keine Gelegenheit, da der Spannungsbogen so unwiderstehlich und bruchlos errichtet wurde, dass jeder Gedanke, der einen Aspekt herausgegriffen und gesondert bewundert hätte, sich zerstörerisch auf das Erleben ausgewirkt hätte.  Jedoch sei erwähnt, dass die Modulationen mit einer Feinsinnigkeit und visionären Gestaltungskraft einmaliger Qualität ausgehört uns ausmusiziert wurden, dass die das Metrum transzendierende Artikulation keinen Anflug von Schwere zuließ, dass die Tongebung auch im fernsten Pianissimo noch substanziell und im machtvollsten Fortissimo nie grob war, dass in all der Manifestation unerschöpflicher Mannigfaltigkeit nie ein Effekt um des Effekts willen produziert wurde, der Rhythmus aufs Natürlichste ausschwang, die Musik ihren ganz eigenen Sog frei entfalten konnte, bei aller Disziplin des gemeinsamen Erfassens eine ideale Freiheit der Gestaltung erreicht wurde. Die Zeit verging wie im Fluge, sozusagen eine Stunde ein Wimpernschlag.

Christoph Schlueren  "The New Listener" 14/10/2016

An hour in the twinkling of an eye –

Schubert, exhaustively

Trio Ars et Labor at the Freies Musikzentrum München

Trio Ars et Labor from Perugia is made up of exceptional instrumentalists, playing together with the confidence of sleep-walkers […].

On Saturday, October 8, we were offered the last piano trio by Franz Schubert, performed with such a perfection that no member of the audience – we can most certainly guarantee – had ever heard before in their life. Time really stood still for more than an hour, as the fortunate audience listened to a Schubert so internalized, so homogeneous in its whole concatenation as it hasn’t been heard in München since Celibidache – that is to say, since more than two decades ago.

One had to listen to the way the piece was led by the two strings, Sara Gianfriddo and Héloïse Piolat, who were able to perfectly blend together their distinct sonorities, the phrasing and the subtle elasticity of the pulsation, and by the piano of Christa Bützberger, each and every nuance of which was perceivable without ever being idle: all at the service of the formal development intended as a whole. This moving intimacy had nothing to do with languor or sentimentalism, and neither with an abstract kind of sobriety: listeners were captured by the triad arpeggio that opens the trio, and then released by the final coda. The substance of what happened between these two extremities eludes any effort of description: almost as if we lived, and suffered, a whole life, marked by four stations, within a single hour. There was never a moment when it was possible to be amazed by the incredible neatness of the performance: the tension of the bowing was so compelling and cohesive that stopping to separately contemplate any of its aspects would have meant the collapse of the listening experience. However, allow me to mention the modulations, played with a unique subtlety and visionary force, the articulation that transcended the metre, without ever giving the slightest sensation of heaviness, and the tone of the sound, rich in substance even in the most remote pianissimo and never rough in the most powerful fortissimo; finally, it could never be found in the continuous and unlimited variety a trivial will to impress; the rhythm always sounded vibrant and natural, the music could unroll freely as in a vortex and, despite the iron discipline, an ideal freedom was reached in the overall configuration of the piece. Time literally flew by: an hour in the twinkling of an eye.

Christoph Schlueren, “The New Listener” 14/10/2016

Und die Zeit steht still

Auf dem Programm steht das große letzte Klaviertrio Franz Schuberts, Es-Dur D. 929 [...]

Welch ein musikalischer Höhepunkt ist dieses Konzert!

Das Trio verzaubert! Ich übertreibe nicht, zu sagen, dass dies mit Abstand der beste Schubert ist, den ich je gehört habe. Die Musiker fühlen alle Nuancierungen der harmonischen Spannung und setzen diese auf einmalige Weise um, dass es einem direkt den Boden unter den Füßen wegzuziehen scheint. Jedes Spannungsverhältnis ist von innen heraus gefühlt, die Übergänge geschmeidig fließend und zu keiner Zeit gibt es nur den geringsten Abfall an Energie. Und wenn nicht schon beim ersten Satz, so bleibt spätestens im Andante con moto die Zeit stehen [...]. Sogar den weiträumigen vierten Satz spielen die Musiker in einem Zug ohne Ecken und Kanten in unwiderstehlich organischer Formung. Vom Klavier aus hält Christa Bützberger das Trio musikalisch zusammen und leitet mit größter Geschmeidigkeit. Ihr Spiel ist farbenreich in unzähligen dynamischen wie artikulatorischen Abstufungen, dabei von ungezwungener Leichtigkeit und mit einer atemberaubenden Zuneigung zur Musik, die in jedem Ton spürbar wird. Einen lockeren Ton hat Sara Gianfriddo an der Violine, sie schwingt sich spielerisch in die Höhen und besticht mit einem erhabenen und doch so nahen Ton voll von innerem Gefühl und unverfälschtem Ausdruck. Am Violoncello begeistert Hélioïse Piolat, selten ist eine so unprätentiöse Cellistin zu hören, sie stellt sich nicht mit übermäßigem Vibrato und überzogenen Dynamiken zur Schau, wie es so oft zu hören ist, sondern vertraut der Feingliedrigkeit und dem zentrierten Bewusstsein über die Musik, womit sie ausnahmslos überzeugt. Die Musiker beherrschen auch den Raum und vermögen, ihn komplett auszufüllen: Einmal will ich mich fast umdrehen, da ich mir sicher bin, das Klavier in seiner hohen Lage hinter mir gehört zu haben. So sind die drei Musikerinnen bei aller Synchronizität und ihrem unzertrennlich verbundenen Zusammenwirken doch auch noch Individuen, die ihren Teil zur Musik beitragen und wie von unterschiedlichen Ecken des Raums auf das Publikum eindringen.

Nach dem Konzert ist es lange still, so in den Bann genommen sind die Zuhörer noch, und auch nach dem tosenden Applaus bleibt das Publikum wie gefesselt – nur langsam wird gewahr, dass dieser unvergleichliche Abend bereits vorüber ist.

Oliver Fraenzke "The New Listener" Oktober 2016

And time stands still…

The programme of the evening was the great last Trio in E-flat major D 929 by Franz Schubert [...]

What musical peaks did this concert reach! […] Trio Ars et Labor is enchanting! I do not exaggerate when I say that this is by far the best Schubert I have ever had the chance to listen to. The three instrumentalists get every nuance right in the harmonic tensions and they offer them in a unique way, giving you the impression that the ground is opening up under your feet. Each change in the tension is felt from the inside, the transitions are elastic and flowing, you can never detect even the slightest energy drop. If not already in the first movement, in the Andante con moto time definitely stands still […]. Even the extended fourth movement is played by the three instrumentalists in one single bow movement, with no sharp edges, in an irresistible organic formation. At the piano, Christa Bützberger keeps the Trio on track leading with great flexibility, and pulling out of the instrument a wide variety of timbres and countless gradations in the dynamic and the articulation, with a lightness that is completely free of any constraint and a musicality that takes the breath away, perceivable in every single note. At the violin, Sara Gianfriddo has a soft and tender tone, as she playfully reaches up to the high notes and captivates us with a tone that is sublime and yet so close to us, so intimate and straightforward. Héloïse Piolat is a stirring cellist: you can rarely hear this instrument played with such a lack of pretentiousness. Piolat doesn’t show off with an exaggerated vibrato or over-the-top dynamics, as it is so often the case, but plays with great confidence in the minute articulation of the music and her concentration, resulting convincing every single time. The three instrumentalists also dominate the space filling it completely: at one point I almost turned, as I was sure I heard the high-pitched sound of the piano coming from behind me. Whilst showing a perfect synchronism and a never-wavering cooperation, the three artists have three different voices offering each their own contribution to the music, and they seem to reach the audience from different angles of the space.

A prolonged silence followed the end of the concert, with the audience still under its spell; even after the enthusiastic applause, the enchantment hadn’t dissolved, as we gradually began to realize this unforgettable evening was now over.

Oliver Fraenzke, “The New Listener”, October 2016

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